Erinnerungen an ein längst vergangenes Alcossebre
![[Img #82133]](http://el7set.es/upload/images/05_2021/9761_img-20210516-wa00012.jpg)
Es war Ende Mai 1966, als ich zum ersten Mal den Boden Alcossebres betrat, nach Passieren des mehr als engen Eisenbahntunnels, der, von weitem betrachtet, Kratzer und Beulen am Auto vorauszusagen schien.
Es waren die Zeiten, in denen man noch von Alcoceber sprach. In denen die Fideuá noch nicht auf den Speisekarten der Restaurants zu finden war und in denen die Leute, die sich für etwas Besseres hielten, kein Valencianisch sprachen, weil sie es für primitiv hielten. Es waren dann die selben Leute, die etliche Jahre später die heftigsten Vertreter der valencianischen Sprache werden sollten.
Es waren auch die Zeiten, in denen der größte Wunsch des kleinen Mannes der Besitz einer Wohnung in einem Hochhaus war und in denen der Kühlschrank ein Zeichen von Wohlstand darstellte, weshalb er des öfteren anstatt in der Küche im Wohn-Esszimmer stand.
Untergebracht waren wir in den Apartamentos San Miguel – heute durch ein modernes Gebäude ersetzt. Unser Apartment lag an dem steinigen Weg, der zum Cargador Strand führte - heute mehr oder minder die Straße Colón. Auf der anderen Seite des Weges lag ein kleines Gehöft mit einem Brunnen, dessen Schöpfrad von einem Maultier in Bewegung gehalten wurde, das mit verbundenen Augen seine Runden drehte, ein Schauspiel, das meine beiden kleinen Kinder faszinierte. Das Schöpfrad ist übrigens, welch ein Wunder, erhalten geblieben und ziert heute den kleinen Kreisel linker Hand, wenn man von der Ampel in Richtung Restaurant Dora fährt.
Ein anderes Schauspiel, das die Kinder begeisterte, war in der Abenddämmerung die Rückkehr der Ziegen, deren Stall ungefähr gegenüber den Apartments lag. Leider erntete der Vorschlag meines Mannes, den sandigen Weg vor den Apartments, die heutige Straße Ausiach March, Avenida de las Cabras, Ziegenallee, zu nennen, nichts als hellste Empörung, dabei wäre es heute eine schöne Erinnerung an das alte Alcossebre.
Noch ein anderes Schauspiel bot sich in der Abenddämmerung, die Rückkehr der Bauern nach Alcalá; eine endlose Reihe von Holzkarren, mit oder ohne Verdeck, und mit einem hinterher trabenden, angebundenen Hund. zog sich die Straße entlang. Und dann verschwanden plötzlich eines Tages, wie auf Kommando, alle Karren und an ihrer Stelle ratterten nun Traktoren die Straße entlang.
Der kürzeste Weg zum Strand war das Überqueren des Mandelbaumfeldes, das vor den hinten gelegenen Gärtchen der Apartments lag und das Sokrates, dem Eigentümer der Apartments, gehörte. Eine lange Reihe üppig blühender Oleanderbüsche bildete die Grenze zwischen dem Besitz des Sokrates und der “Casa de la Marquesa“, dem Haus der Marquise.
Eines Tages jagte mir eine unter einem der Oleanderbüsche liegende riesige, grasgrüne Echse einen gehörigen Schreck ein.
Wenn man das Dorf über den Rench betrat - Rench (Reng)= Reihe, bezog sich auf die Häuserreihe -, lag linker Hand eine Metzgerei, deren aufgereihte Stühle mich doch sehr verwunderten. Was machten Stühle in einer Metzgerei? Bald sollte ich Stühle auch in anderen Metzgereien entdecken und hinter deren Geheimnis kommen. Während der Metzger die Kundin bediente – ich entsinne mich keines männlichen Kunden – und sich um deren zahlreiche und manchmal winzige Wünsche kümmerte, plauderten die übrigen Kundinnen angeregt miteinander, was ja bekanntlich viel besser im Sitzen als im Stehen erfolgt.
Einige Jahre später stellte man vor der Metzgerei, denn drin war kein Platz, einen Hähnchengrill auf, der die leckersten je gegessenen Hähnchen briet. Böse Zungen behaupteten zwar, das sei den Auspuffgasen der vorbeifahrenden Autos zu verdanken, aber dem muss heftig widersprochen werden, gab es doch damals kaum Verkehr, und Staus, Verkehrsampeln und blaue Zonen lagen noch in weiter Ferne.
Wenn man den Rench weiterging, lag rechts der Tabakladen von Carmeta und ihrem Mann, in dem nicht nur Tabakwaren und Briefmarken sondern auch Lebensmittel verkauft wurden.
Ein Stückchen weiter kam man links, dort wo heute der langweilige Bau der Sankt Christophorus Kapelle steht, zu dem kleinen, aus dem XVIII. Jahrhundert stammenden Christophorus Kirchlein, vor dem einige Zypressen standen. Und nur ein wenig weiter lag rechts die alte Schule von Alcossebre, in der sich heute das Gesundheitszentrum und die Bibliothek befinden.
Hinter der Schule und in Richtung Vista Alegre standen noch einige Johannisbrotbäume, in deren Schatten die wenigen vorhandenen Wagen parkten.
Fast am Ende des L´Atall Weges stieß man auf den Lebensmittelladen des Pepe (José) Marín und seiner Frau Paquita, heute in eine Boutique verwandelt, und die Bäckerei Fuster.
Und schon sind wir auf dem Vista Alegre Platz, heute wie damals echter Mittelpunkt von Alcossebre. Dort stand die Reihe der damals noch kleinen Häuser, unter denen sich eines der Symbole Alcossebre´s befand und noch befindet, die Bar La Maya, die damals von Vicente Marín, dem älteren Bruder des vorerwähnten Pepe geführt wurde.
Am anderen Ende des Platzes wurde im Sommer 1966 das Restaurant Montemar eingeweiht, nachdem das Mitte der Vierziger entstandene Chiringuito Montemar abgerissen worden war.
Ich kann mich noch an lange, bei Kerzenlicht geführte Gespräche im Montemar erinnern, beileibe nicht wegen der Romantik, sondern weil uns mal wieder ein Gewitter stundenlang ohne Strom gelassen hatte.
Am späten Samstagabend gab´s verbena (Tanz) mit Orchester auf der Terrasse des Montemar, wobei die älteren Einheimischen, besonders Frauen, als Zuschauer auf der zur Straße liegenden Mauer saßen.
Mit zunehmendem Tourismus gab es später sogar Kino unter den Pinien hinter dem Restaurant, sofern der Wind nichts dagegen hatte.
Während der Patronatsfeste wurde auf dem noch trockenen Strand, in der Nähe der bei der Maya gelegenen Rampe, mit Hilfe der ehemals auf den Feldern benutzten Holzkarren eine kleine Stierkampfarena aufgebaut, und dort konnte man dann die Einheimischen sitzen und vor dem jeweiligen Erscheinen der zahmen Stiere ihre mitgebrachte Vesper verzehren sehen.
Ein weiteres Symbol des alten Alcossebre war “der Jeremías“, die aus einer Bar hervorgegangene Gaststätte des Maurers Jeremias. Jeden Winter konnte man Jeremias, unterstützt von seinen drei Söhnen, an dem Gebäude arbeiten sehen; ein Zimmer, eine Kammer oder sogar ein Stockwerk wurden hinzugefügt, und jedes Mal zahlte dann Jeremias, wie selbstverständlich, die ihm wegen nicht eingeholter Baulizenz verpassten Strafen.Jeremías bot preiswerte Unterkunft und Verpflegung und wurde zu einem viel besuchten Treffpunkt. Im Laufe der Jahre entstand dann aus dem Jeremías ein ruhiges Familienhotel, das erst vor kurzem abgerissen und durch das nicht jeden begeisternde Aparthotel Sea Experience ersetzt wurde.
Und damit verschwanden sang- und klanglos, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen, zwei der Symbole des ehemaligen Alcossebre, der Jeremías und das Restaurant Montemar, das nach seinem Abriss vom Vista Alegre Platz zum Ende des Cargador Strandes auf Jeremias Gelände gezogen war. Sic transit gloria mundi!
Wegen des bekannt guten Klimas von Alcossebre hatten sich betuchte Leute, größtenteils aus Valencia, mehr oder minder große Häuser für die Sommerfrische bauen lassen, von denen noch einige an verschiedenen Stellen zu sehen sind wie z.B. das am Anfang des Cargador Strandes, neben dem Restaurant Valentín gelegene Haus.
Was es auch noch gab waren die vielen kleinen, charmanten, Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Sommervillen, von denen noch eine an der Ecke Blasco Ibañez Allee und Strandpromenade steht.
Ende der sechziger Jahre erregte großes Aufsehen das Haus, das sich die ehemals auch in Deutschland berühmte Schauspielerin Nuria Espert hatte bauen lassen, mit über 1000 m² Wohnfläche und einem großen, integrierten Schwimmbad. Das an der La Mola Straße gelegene Haus gibt es noch immer, wenn auch mit anderem Eigentümer.
Einer der beliebtesten Spazierwege war der Aufstieg zur Santa Lucía Kapelle und zwar von hinten, vom kleinen Nebenbahnhof aus. Anfangs konnte man noch einigen mit Baumaterial beladenen Maultieren begegnen.
Auch gab es noch Wildkatzen in der Sierra. Allerdings gelang es uns nicht, einen Deutschen davon zu überzeugen, dass das Tier, das er des Nachts beim Befahren der Las Fuentes Straße gesehen hatte, keine Hyäne war.
Gelegentlich konnte man auch noch Füchse die kleine, zum Dorf führende Straße überqueren sehen.
Ein weiterer beliebter Spaziergang war der Weg entlang der Küste zum Campamento. Da gab es und gibt noch immer, wenn auch sehr heruntergekommen, am Anfang des Romana Strandes eine der ehemaligen Sommerresidenzen und etwas weiter ein ebenfalls noch bestehendes, moderneres, wenn auch umgebautes Gebäude mit Türmchen. Und dann gab es nur noch Felder - ich erinnere mich z.B. an ein riesiges Erbsenfeld auf dem Gelände des heutigen Habitat -, Pinien, Feigenkakteen, Agaven, Stechpalmen und sogar eine dieser für das Maestrazgo so typischen runden, aus Stein gebauten Schutzhütten.
Das Jugendlager nahm nur Jungen auf, die alle mit dem blauen Hemd der Falange (damalige span. Einheitspartei) bekleidet waren. Mädchen wurden erst viel später zugelassen und dann gab es auch keine Uniform mehr.
Wir besuchten meist den Cargador Strand mit seinen hohen Sanddünen, auf denen sich die inzwischen verschwundenen schwarzen Mistkäfer um ihre Mistkugeln stritten.
An dem noch wenig besuchten Strand herrschte eine strenge Kleiderordnung, zumindest was die Einheimischen betraf. Entrüstete Blicke trafen mich, weil ich gewagt hatte, meine kleinen Kinder nackt herumlaufen zu lassen.
Manche bekreuzigten sich, bevor sie ins Meer gingen und schwarze Unterkleider dienten als Strand Outfit..
Strenge Kleiderordnung auch auf der Straße. Als ich eines Tages in Torreblanca an zwei älteren, auf den typischen kleinen Stühlen sitzenden Frauen vorbeiging, hörte ich sie mehr oder minder Folgendes sagen: „Schau mal die da. Wie kann die es wagen, in ihrem Alter so herumzulaufen!“ Ich trug ziemlich lange Shorts und war um die vierzig!
Ich erinnere mich an eine windstille Vollmondnacht, als einer unserer Freunde und ich die Idee hatten, ein Bad im Meer zu nehmen. Kaum hatten wir den Strand betreten, als auch schon das damals allgegenwärtige Paar der Guardia Civil auftauchte um uns zu fragen, was wir denn da am Strand zu suchen hätten. Schon damals blühte der Drogenhandel, aber nachdem man sich von unserer Unschuld überzeugt hatte, konnten wir ungestört unser Vollmondbad genießen.
Die Strände wurden langsam voller. und man konnte Franzosen den Inhalt vorher zwischen den Felsen gefundener Seeigel schlürfen sehen. Und ein Freund fand beim nur wenige Meter vom Strand entfernten Tauchen die köstlichsten und größten Venusmuscheln.
Da Alcossebre nie ein Fischerdorf gewesen war sondern von der Landwirtschaft lebte, gab es auch nur eine Familie, die Massiano, die Fischfang betrieb. Wenn ihr Boot des Morgens an den Strand gezogen wurde, konnte man direkt den gefangenen Fisch kaufen.
Beim Gedanken an Alcossebre´s Landwirtschaft fallen mir die mit den köstlichsten süßen Muskateller Trauben bepflanzten Felder ein, an die sich sicher noch der eine oder andere erinnern kann. Leider wurden sie später wegen besserer Vermarktung.durch eine andere, nicht mehr so süße, aber dafür besser aussehende Muskateller Traube ersetzt, bis schließlich auch deren Felder verschwanden und Gebäuden Platz machten..
Fern waren noch die Zeiten des Handys und der Telefonzellen. Außerdem, wozu brauchte man ein Telefon, man war schließlich im Urlaub, und zur Not gab es ja noch das öffentliche Telefon, wobei ich mich allerdings nicht mehr daran erinnern kann, wo es sich damals befand und wer es betrieb.
Natürlich gab es auch noch kein Gesundheitszentrum. Der allseits beliebte Arzt aus Alcalá, Ricardo Cardona, kam einmal die Woche zwei Stunden. Im Sommer gab´s keine Probleme, wohnte er doch in seinem großen Haus in Alcossebre.
Medikamente und Zubehör mussten in Alcalá gekauft werden; erst etliche Jahre später wurde in der Schule eine kleine Behelfsapotheke eingerichtet.
Wer sich auch in der Schule niederließ war die bekannte Paquita, die Frau des Konstrukteurs und Inmobilienmaklers José Pitarch, die dort Obst und Gemüse verkaufte. Bereits mehrere Jahre vorher war im oberen Teil des Rench ein Gemüseladen eröffnet worden.
Wegen der ständig wachsenden Besucherzahlen wurde irgendwann das Christophorus Kirchlein abgerissen, und während des Baus der neuen Kirche fand der Gottesdienst in einem kleinen Pinienwäldchen in der Nähe des heutigen Vista Alegre Gebäudes statt.
Und damit beende ich meine Erinnerungen an ein längst vergangenes Alcossebre, ein Alcossebre der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, ohne Berücksichtigung der von mir damals kaum besuchten Las Fuentes.
Es war Ende Mai 1966, als ich zum ersten Mal den Boden Alcossebres betrat, nach Passieren des mehr als engen Eisenbahntunnels, der, von weitem betrachtet, Kratzer und Beulen am Auto vorauszusagen schien.
Es waren die Zeiten, in denen man noch von Alcoceber sprach. In denen die Fideuá noch nicht auf den Speisekarten der Restaurants zu finden war und in denen die Leute, die sich für etwas Besseres hielten, kein Valencianisch sprachen, weil sie es für primitiv hielten. Es waren dann die selben Leute, die etliche Jahre später die heftigsten Vertreter der valencianischen Sprache werden sollten.
Es waren auch die Zeiten, in denen der größte Wunsch des kleinen Mannes der Besitz einer Wohnung in einem Hochhaus war und in denen der Kühlschrank ein Zeichen von Wohlstand darstellte, weshalb er des öfteren anstatt in der Küche im Wohn-Esszimmer stand.
Untergebracht waren wir in den Apartamentos San Miguel – heute durch ein modernes Gebäude ersetzt. Unser Apartment lag an dem steinigen Weg, der zum Cargador Strand führte - heute mehr oder minder die Straße Colón. Auf der anderen Seite des Weges lag ein kleines Gehöft mit einem Brunnen, dessen Schöpfrad von einem Maultier in Bewegung gehalten wurde, das mit verbundenen Augen seine Runden drehte, ein Schauspiel, das meine beiden kleinen Kinder faszinierte. Das Schöpfrad ist übrigens, welch ein Wunder, erhalten geblieben und ziert heute den kleinen Kreisel linker Hand, wenn man von der Ampel in Richtung Restaurant Dora fährt.
Ein anderes Schauspiel, das die Kinder begeisterte, war in der Abenddämmerung die Rückkehr der Ziegen, deren Stall ungefähr gegenüber den Apartments lag. Leider erntete der Vorschlag meines Mannes, den sandigen Weg vor den Apartments, die heutige Straße Ausiach March, Avenida de las Cabras, Ziegenallee, zu nennen, nichts als hellste Empörung, dabei wäre es heute eine schöne Erinnerung an das alte Alcossebre.
Noch ein anderes Schauspiel bot sich in der Abenddämmerung, die Rückkehr der Bauern nach Alcalá; eine endlose Reihe von Holzkarren, mit oder ohne Verdeck, und mit einem hinterher trabenden, angebundenen Hund. zog sich die Straße entlang. Und dann verschwanden plötzlich eines Tages, wie auf Kommando, alle Karren und an ihrer Stelle ratterten nun Traktoren die Straße entlang.
Der kürzeste Weg zum Strand war das Überqueren des Mandelbaumfeldes, das vor den hinten gelegenen Gärtchen der Apartments lag und das Sokrates, dem Eigentümer der Apartments, gehörte. Eine lange Reihe üppig blühender Oleanderbüsche bildete die Grenze zwischen dem Besitz des Sokrates und der “Casa de la Marquesa“, dem Haus der Marquise.
Eines Tages jagte mir eine unter einem der Oleanderbüsche liegende riesige, grasgrüne Echse einen gehörigen Schreck ein.
Wenn man das Dorf über den Rench betrat - Rench (Reng)= Reihe, bezog sich auf die Häuserreihe -, lag linker Hand eine Metzgerei, deren aufgereihte Stühle mich doch sehr verwunderten. Was machten Stühle in einer Metzgerei? Bald sollte ich Stühle auch in anderen Metzgereien entdecken und hinter deren Geheimnis kommen. Während der Metzger die Kundin bediente – ich entsinne mich keines männlichen Kunden – und sich um deren zahlreiche und manchmal winzige Wünsche kümmerte, plauderten die übrigen Kundinnen angeregt miteinander, was ja bekanntlich viel besser im Sitzen als im Stehen erfolgt.
Einige Jahre später stellte man vor der Metzgerei, denn drin war kein Platz, einen Hähnchengrill auf, der die leckersten je gegessenen Hähnchen briet. Böse Zungen behaupteten zwar, das sei den Auspuffgasen der vorbeifahrenden Autos zu verdanken, aber dem muss heftig widersprochen werden, gab es doch damals kaum Verkehr, und Staus, Verkehrsampeln und blaue Zonen lagen noch in weiter Ferne.
Wenn man den Rench weiterging, lag rechts der Tabakladen von Carmeta und ihrem Mann, in dem nicht nur Tabakwaren und Briefmarken sondern auch Lebensmittel verkauft wurden.
Ein Stückchen weiter kam man links, dort wo heute der langweilige Bau der Sankt Christophorus Kapelle steht, zu dem kleinen, aus dem XVIII. Jahrhundert stammenden Christophorus Kirchlein, vor dem einige Zypressen standen. Und nur ein wenig weiter lag rechts die alte Schule von Alcossebre, in der sich heute das Gesundheitszentrum und die Bibliothek befinden.
Hinter der Schule und in Richtung Vista Alegre standen noch einige Johannisbrotbäume, in deren Schatten die wenigen vorhandenen Wagen parkten.
Fast am Ende des L´Atall Weges stieß man auf den Lebensmittelladen des Pepe (José) Marín und seiner Frau Paquita, heute in eine Boutique verwandelt, und die Bäckerei Fuster.
Und schon sind wir auf dem Vista Alegre Platz, heute wie damals echter Mittelpunkt von Alcossebre. Dort stand die Reihe der damals noch kleinen Häuser, unter denen sich eines der Symbole Alcossebre´s befand und noch befindet, die Bar La Maya, die damals von Vicente Marín, dem älteren Bruder des vorerwähnten Pepe geführt wurde.
Am anderen Ende des Platzes wurde im Sommer 1966 das Restaurant Montemar eingeweiht, nachdem das Mitte der Vierziger entstandene Chiringuito Montemar abgerissen worden war.
Ich kann mich noch an lange, bei Kerzenlicht geführte Gespräche im Montemar erinnern, beileibe nicht wegen der Romantik, sondern weil uns mal wieder ein Gewitter stundenlang ohne Strom gelassen hatte.
Am späten Samstagabend gab´s verbena (Tanz) mit Orchester auf der Terrasse des Montemar, wobei die älteren Einheimischen, besonders Frauen, als Zuschauer auf der zur Straße liegenden Mauer saßen.
Mit zunehmendem Tourismus gab es später sogar Kino unter den Pinien hinter dem Restaurant, sofern der Wind nichts dagegen hatte.
Während der Patronatsfeste wurde auf dem noch trockenen Strand, in der Nähe der bei der Maya gelegenen Rampe, mit Hilfe der ehemals auf den Feldern benutzten Holzkarren eine kleine Stierkampfarena aufgebaut, und dort konnte man dann die Einheimischen sitzen und vor dem jeweiligen Erscheinen der zahmen Stiere ihre mitgebrachte Vesper verzehren sehen.
Ein weiteres Symbol des alten Alcossebre war “der Jeremías“, die aus einer Bar hervorgegangene Gaststätte des Maurers Jeremias. Jeden Winter konnte man Jeremias, unterstützt von seinen drei Söhnen, an dem Gebäude arbeiten sehen; ein Zimmer, eine Kammer oder sogar ein Stockwerk wurden hinzugefügt, und jedes Mal zahlte dann Jeremias, wie selbstverständlich, die ihm wegen nicht eingeholter Baulizenz verpassten Strafen.Jeremías bot preiswerte Unterkunft und Verpflegung und wurde zu einem viel besuchten Treffpunkt. Im Laufe der Jahre entstand dann aus dem Jeremías ein ruhiges Familienhotel, das erst vor kurzem abgerissen und durch das nicht jeden begeisternde Aparthotel Sea Experience ersetzt wurde.
Und damit verschwanden sang- und klanglos, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen, zwei der Symbole des ehemaligen Alcossebre, der Jeremías und das Restaurant Montemar, das nach seinem Abriss vom Vista Alegre Platz zum Ende des Cargador Strandes auf Jeremias Gelände gezogen war. Sic transit gloria mundi!
Wegen des bekannt guten Klimas von Alcossebre hatten sich betuchte Leute, größtenteils aus Valencia, mehr oder minder große Häuser für die Sommerfrische bauen lassen, von denen noch einige an verschiedenen Stellen zu sehen sind wie z.B. das am Anfang des Cargador Strandes, neben dem Restaurant Valentín gelegene Haus.
Was es auch noch gab waren die vielen kleinen, charmanten, Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Sommervillen, von denen noch eine an der Ecke Blasco Ibañez Allee und Strandpromenade steht.
Ende der sechziger Jahre erregte großes Aufsehen das Haus, das sich die ehemals auch in Deutschland berühmte Schauspielerin Nuria Espert hatte bauen lassen, mit über 1000 m² Wohnfläche und einem großen, integrierten Schwimmbad. Das an der La Mola Straße gelegene Haus gibt es noch immer, wenn auch mit anderem Eigentümer.
Einer der beliebtesten Spazierwege war der Aufstieg zur Santa Lucía Kapelle und zwar von hinten, vom kleinen Nebenbahnhof aus. Anfangs konnte man noch einigen mit Baumaterial beladenen Maultieren begegnen.
Auch gab es noch Wildkatzen in der Sierra. Allerdings gelang es uns nicht, einen Deutschen davon zu überzeugen, dass das Tier, das er des Nachts beim Befahren der Las Fuentes Straße gesehen hatte, keine Hyäne war.
Gelegentlich konnte man auch noch Füchse die kleine, zum Dorf führende Straße überqueren sehen.
Ein weiterer beliebter Spaziergang war der Weg entlang der Küste zum Campamento. Da gab es und gibt noch immer, wenn auch sehr heruntergekommen, am Anfang des Romana Strandes eine der ehemaligen Sommerresidenzen und etwas weiter ein ebenfalls noch bestehendes, moderneres, wenn auch umgebautes Gebäude mit Türmchen. Und dann gab es nur noch Felder - ich erinnere mich z.B. an ein riesiges Erbsenfeld auf dem Gelände des heutigen Habitat -, Pinien, Feigenkakteen, Agaven, Stechpalmen und sogar eine dieser für das Maestrazgo so typischen runden, aus Stein gebauten Schutzhütten.
Das Jugendlager nahm nur Jungen auf, die alle mit dem blauen Hemd der Falange (damalige span. Einheitspartei) bekleidet waren. Mädchen wurden erst viel später zugelassen und dann gab es auch keine Uniform mehr.
Wir besuchten meist den Cargador Strand mit seinen hohen Sanddünen, auf denen sich die inzwischen verschwundenen schwarzen Mistkäfer um ihre Mistkugeln stritten.
An dem noch wenig besuchten Strand herrschte eine strenge Kleiderordnung, zumindest was die Einheimischen betraf. Entrüstete Blicke trafen mich, weil ich gewagt hatte, meine kleinen Kinder nackt herumlaufen zu lassen.
Manche bekreuzigten sich, bevor sie ins Meer gingen und schwarze Unterkleider dienten als Strand Outfit..
Strenge Kleiderordnung auch auf der Straße. Als ich eines Tages in Torreblanca an zwei älteren, auf den typischen kleinen Stühlen sitzenden Frauen vorbeiging, hörte ich sie mehr oder minder Folgendes sagen: „Schau mal die da. Wie kann die es wagen, in ihrem Alter so herumzulaufen!“ Ich trug ziemlich lange Shorts und war um die vierzig!
Ich erinnere mich an eine windstille Vollmondnacht, als einer unserer Freunde und ich die Idee hatten, ein Bad im Meer zu nehmen. Kaum hatten wir den Strand betreten, als auch schon das damals allgegenwärtige Paar der Guardia Civil auftauchte um uns zu fragen, was wir denn da am Strand zu suchen hätten. Schon damals blühte der Drogenhandel, aber nachdem man sich von unserer Unschuld überzeugt hatte, konnten wir ungestört unser Vollmondbad genießen.
Die Strände wurden langsam voller. und man konnte Franzosen den Inhalt vorher zwischen den Felsen gefundener Seeigel schlürfen sehen. Und ein Freund fand beim nur wenige Meter vom Strand entfernten Tauchen die köstlichsten und größten Venusmuscheln.
Da Alcossebre nie ein Fischerdorf gewesen war sondern von der Landwirtschaft lebte, gab es auch nur eine Familie, die Massiano, die Fischfang betrieb. Wenn ihr Boot des Morgens an den Strand gezogen wurde, konnte man direkt den gefangenen Fisch kaufen.
Beim Gedanken an Alcossebre´s Landwirtschaft fallen mir die mit den köstlichsten süßen Muskateller Trauben bepflanzten Felder ein, an die sich sicher noch der eine oder andere erinnern kann. Leider wurden sie später wegen besserer Vermarktung.durch eine andere, nicht mehr so süße, aber dafür besser aussehende Muskateller Traube ersetzt, bis schließlich auch deren Felder verschwanden und Gebäuden Platz machten..
Fern waren noch die Zeiten des Handys und der Telefonzellen. Außerdem, wozu brauchte man ein Telefon, man war schließlich im Urlaub, und zur Not gab es ja noch das öffentliche Telefon, wobei ich mich allerdings nicht mehr daran erinnern kann, wo es sich damals befand und wer es betrieb.
Natürlich gab es auch noch kein Gesundheitszentrum. Der allseits beliebte Arzt aus Alcalá, Ricardo Cardona, kam einmal die Woche zwei Stunden. Im Sommer gab´s keine Probleme, wohnte er doch in seinem großen Haus in Alcossebre.
Medikamente und Zubehör mussten in Alcalá gekauft werden; erst etliche Jahre später wurde in der Schule eine kleine Behelfsapotheke eingerichtet.
Wer sich auch in der Schule niederließ war die bekannte Paquita, die Frau des Konstrukteurs und Inmobilienmaklers José Pitarch, die dort Obst und Gemüse verkaufte. Bereits mehrere Jahre vorher war im oberen Teil des Rench ein Gemüseladen eröffnet worden.
Wegen der ständig wachsenden Besucherzahlen wurde irgendwann das Christophorus Kirchlein abgerissen, und während des Baus der neuen Kirche fand der Gottesdienst in einem kleinen Pinienwäldchen in der Nähe des heutigen Vista Alegre Gebäudes statt.
Und damit beende ich meine Erinnerungen an ein längst vergangenes Alcossebre, ein Alcossebre der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, ohne Berücksichtigung der von mir damals kaum besuchten Las Fuentes.