Städte Kastiliens. Impressionen aus dem Jahr 1955
Natürlich erforschte ich während meines, dank eines Studentenaustausches ermöglichten dreimonatigen Aufenthaltes, nicht nur Madrid und Umgebung. Kaum hatte ich spanischen Boden betreten, kaufte ich mir ein sogn. Kilométrico, eine preiswerte Art des Reisens mit der spanischen Eisenbahn. Meines galt für 3000 Km, zweite Klasse und kostete mich knapp 800 Peseten. Ich hatte nicht die geringste Mühe, die dreitausend Kilometer abzufahren. Nach meiner Ankunft in Barcelona, der letzten Station vor meiner Rückreise nach Deutschland, hatte ich aber auch den letzten Kilometer verbraucht.
Die erste Fahrt führte mich nach Toledo, allerdings per Bus, ich weiß nicht warum. Das gab mir jedoch die Gelegenheit, mitten durch kleine Dörfer zu fahren und Schöpfrad drehende Mulis, Vorhänge statt Türen, mit Krügen an Brunnen stehende Frauen und für mich noch viel Fremdes zu entdecken.
Ich liebte es, durch Toledos enge, holprige Gassen zu schlendern, mit den hohen Häusern und geschwungenen, schmiedeeisernen Gittern vor großen Fenstern, die mich an Käfige erinnerten. Ich besuchte alle möglichen Sehenswürdigkeiten und entdeckte meine Liebe zur Klosterkirche San Juan de los Reyes, die Isabel die Katholische nach einem Sieg über die Mauren im zierlichen, hochgotischen Stil bauen ließ und zur Grabstätte für sich und ihren Gemahl bestimmte; erst nach der Eroberung Granadas entschied man sich für ein Grabmal in dieser Stadt.
San Juan de los Reyes, ein Ort der Ruhe, da fernab von den Touristenmassen vor der großen, gotischen Kathedrale, wo ich es mit einem alten Führer zu tun hatte, der in einem fort redete und mich dauernd am Arm packte.
Zwei Monate später fuhr ich noch einmal nach Toledo, dieses Mal jedoch mit dem Zug, der zu früher Stunde, d.h. um neun Uhr, den Bahnhof Atocha verließ. Zu dieser morgendlichen Stunde schlief Madrid noch. Die einzigen Lebewesen, auf die man traf, waren die Straßenkehrer. Auch Hunde Gassi führende Herrchen waren noch unbekannt, denn die Zeiten der vielen Hundebesitzer lagen noch in weiter Ferne.
Der Zug hatte nur erste und dritte Klasse, weshalb ich mir den Luxus eines Zuschlags erlaubte. In Toledo begannen wieder die Besichtigungen und auch meine Gänge rund um Toledo. Auf einem dieser Spazierwege entdeckte ich ein Schild, das “Aguas Mayores y Menores“ verbot, ein für mich neuer Ausdruck, denn so etwas pflegt man nicht auf der Uni zu lernen. Wäre ein tolles Thema für eine Bachelor Arbeit. Warum sprechen die mit Wasserknappheit kämpfenden Spanier von Wasser, die Deutschen jedoch mal wieder von Geschäften, seien sie nun groß oder klein?
Auf der Rückfahrt verzichtete ich auf den Zuschlag, war doch mein Geld wegen des Kaufs einiger typischer Toledaner Schmuckstücke etwas geschmolzen. Die Bänke waren hart, zwei Scheiben waren kaputt und die Tür schloss nicht richtig. Aber es waren ja nur 2 Stunden!
Sehr oft konnte man mich in Escorial sehen, sowohl im Kloster mit seinen vielen Schätzen und den Grabmälern fast aller spanischen Könige, als auch in den umliegenden Wäldern und Bergen, einschließlich Aufstieg zu einem auf einem Gipfel stehenden Kreuz, mit weitem Rock, denn lange Hosen trug man –sie – noch nicht! Mich begeisterten die großen, mahagonifarbenen Pinienzapfen. Der damals aufgehobene Zapfen steht noch immer auf einem meiner Bücherregale.
Groß war meine Begeisterung für Segovia, das ich zweimal besuchte. Der Zug hielt an kleinen, halb verwahrlosten Bahnhöfen, deren Vorsteher die Abfahrt des Zuges mit dem Bimmeln einer Glocke ankündigten. Nach einem viertelstündigen Gang erreichte ich Segovia, wo mich der Anblick des großen, mitten in der Stadt gelegenen und von Autos durchfahrenen Aquädukts überwältigte. Mich faszinierten die vielen romanischen Kirchen mit ihrem für Segovia so typischen Atrium, der aus Säulen mit geschmückten Kapitellen bestehenden Vorhalle, wie z.B. die mitten in der Innenstadt gelegene Kirche San Martín oder die etwas entfernt liegende Kirche San Millán. Diese zu Beginn des XII. Jahrhunderts erbaute und damals etwas heruntergekommene Kirche sollte mein Segovianer Lieblingsbauwerk werden. Heute gilt San Millán als eines der bedeutendsten Monumente Segovias. Ich besuchte Kathedrale und Alcázar und ging am Fluss Eresma spazieren. Was ich allerdings nicht tat, war der Empfehlung meines “Madrider Vaters“ zu folgen und zwecks Verzehr eines Spanferkels im berühmten Mesón de Cándido einzukehren. Das überstieg bei weitem meine Finanzen, weshalb ich mich mit Gebäck und trockenen Feigen begnügte.
Bisher hatte es immer nur Tagesreisen gegeben, mit Rückkehr zu den abendlichen bzw. nächtlichen “Fleischtöpfen“. Ich wollte aber Salamanca und Ávila kennenlernen, weshalb ich eines Tages einen Teil meiner Siebensachen packte und mich zunächst, in fünfstündiger Fahrt, nach Salamanca begab. Kaum angekommen, eilte ich zur historischen, barocken Plaza Mayor, der, so wird gesagt, schönsten Plaza Mayor ganz Spaniens. Dort saß ich, eine Limonade trinkend, zwei Stunden, bis ich mich zum Touristenbüro aufmachte, um mir eine preiswerte Unterkunft zu besorgen, die ich in der “Pensión Castellana“ fand, sauber und mit fließend Wasser, da spielten die Flecken an den Wänden und die wellige Matratze keine Rolle! Nach einem aus Brot, Käse und Trauben bestehenden Mittagsmahl und einer kleinen Siesta, begann meine fast dreitägige Erkundung Salamancas. Salamanca, die Stadt der vielen Kirchen und Klöster, der alten und der neuen Kathedrale und der ältesten, im Jahr1218 von König Alfons IX gegründeten Universität Spaniens. Irgendwo unterhalb der alten Kathedrale lag Wäsche zum Bleichen auf der holprigen Straße, als plötzlich ein dickes Schwein über die Wäsche spazierte, was aber sofort von kreischenden Frauen und Kindern vertrieben wurde.
Ich überquerte den Fluss Tormes und genoss den traumhaften Blick auf die beiden, sich im Wasser spiegelnden Kathedralen. Am Ufer saßen Angler, und einige Frauen wuschen Wäsche im dreckigen Wasser.
Mich überraschten die vielen neuen Fahrräder, die wahrscheinlich Studenten gehörten und die alle mit einer ständig benutzten Klingel versehen waren, hatte ich bisher doch nur klingellose Fahrräder kennengelernt. Wozu brauchte man eine Klingel, wenn Pfeifen die gleichen Dienste tat!
Und noch etwas fiel mir auf, die im Vergleich zu anderen Städten große Anzahl von Bettlern.
Am frühen Abend füllte sich die Plaza Mayor mit Jugendlichen, und es begann ein seltsames Schauspiel, die “Ronda“, der “Rundgang“; die Jungen, im Gänsemarsch, umrundeten den Platz in einer Richtung, die Mädchen, ebenfalls im Gänsemarsch, in der anderen Richtung. Da es mehrere Runden gab, war die Möglichkeit, jemanden kennenzulernen, recht hoch. Welch einfallsreiches System sich kennenzulernen!
Es war seltsamerweise einzig und allein in Salamanca, daß ich meine Ausgaben notierte, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
Übernachtung 40,00 Peseten
Limonaden 11,50
Postkarten 7,50
Brot 1,40
Trauben 2,00
Bananen 2,40
Gebäck 2,00
Gebäck 0,80
Kloh 0,30
Bettler (Plural) 5,00
Briefmarken 12,00
84,90
Nach fast drei Tagen verließ ich Salamanca und traf gegen Abend in Ávila ein. Dort herrschte Festtagsstimmung, die heilige Therese wurde gefeiert. Hotels und Pensionen waren voll, weshalb meine erste Nachfrage auch erfolglos blieb. Da tauchten plötzlich vier junge Mädchen auf, ich weiß nicht, ob ich sie zuerst oder sie mich zuerst ansprachen, auf jeden Fall waren sie meine Rettung, denn sie brachten mich zum Parador del Rastro, einer einfachen Pension, in der ich ein Zimmer mit Fenster auf einen Lichtschacht fand. Viele Jahre später sollte sich diese am Rastro Tor der Stadtmauer gelegene Pension in eine luxuriöse Bleibe verwandeln.
Ich bummelte durch die erleuchtete und geschmückte Stadt und über den Kirmesplatz mit Karussels, einem kleinen Riesenrad und vielen Buden, aß Brot, Käse und Trauben und verließ frühmorgens, nach wieder Brot, Käse und Trauben, das Zimmer, um Ávila zu erkunden.
Ávila, wieder eine Stadt der Kirchen und Klöster, aber berühmt ist die Stadt wegen ihrer im XI. Jahrhundert von König Alfons VI erbauten, vollständig erhaltenen Stadtmauer. Natürlich führte mich einer meiner ersten Wege zum vor den Toren auf einer kleinen Anhöhe gelegenen “Kreuz der vier Säulen“, von dem aus man den schönsten Blick auf das mauerumgebene Ávila hat.
Außerhalb der Mauern fand ein Tiermarkt statt, Bauern und Schäfer waren in schwarzen Baskenmützen und meist schwarzer Bekleidung erschienen, aber die im unteren Teil herumlaufenden kleinen, schwarzen Stiere ließen mich auf einen Besuch verzichten.
Ich besuchte die teilweise in die Stadtmauer gebaute gotische Kathedrale, die außerhalb der Stadtmauer gelegene romanische Kirche San Vicente und das gotische Kloster Santo Tomás, mit dem Grabmal des frühverstorbenen, einzigen Sohnes der Katholischen Könige.
Auf meinen Streifzügen durch Ávila begegnete ich nicht nur Kirchen und Klöstern, sondern auch vielen Herrenhäusern und Palästen, denn nicht umsonst spricht man vom “Ávila de los Caballeros“, vom Ávila der Ritter. Wem ich auch begegnete, war einem jungen Spanier, der viele Jahre später mein Mann werden sollte.
Und damit beende ich den letzten meiner vier Artikel über meinen Aufenthalt im Spanien des fernen Jahres 1955.
Natürlich erforschte ich während meines, dank eines Studentenaustausches ermöglichten dreimonatigen Aufenthaltes, nicht nur Madrid und Umgebung. Kaum hatte ich spanischen Boden betreten, kaufte ich mir ein sogn. Kilométrico, eine preiswerte Art des Reisens mit der spanischen Eisenbahn. Meines galt für 3000 Km, zweite Klasse und kostete mich knapp 800 Peseten. Ich hatte nicht die geringste Mühe, die dreitausend Kilometer abzufahren. Nach meiner Ankunft in Barcelona, der letzten Station vor meiner Rückreise nach Deutschland, hatte ich aber auch den letzten Kilometer verbraucht.
Die erste Fahrt führte mich nach Toledo, allerdings per Bus, ich weiß nicht warum. Das gab mir jedoch die Gelegenheit, mitten durch kleine Dörfer zu fahren und Schöpfrad drehende Mulis, Vorhänge statt Türen, mit Krügen an Brunnen stehende Frauen und für mich noch viel Fremdes zu entdecken.
Ich liebte es, durch Toledos enge, holprige Gassen zu schlendern, mit den hohen Häusern und geschwungenen, schmiedeeisernen Gittern vor großen Fenstern, die mich an Käfige erinnerten. Ich besuchte alle möglichen Sehenswürdigkeiten und entdeckte meine Liebe zur Klosterkirche San Juan de los Reyes, die Isabel die Katholische nach einem Sieg über die Mauren im zierlichen, hochgotischen Stil bauen ließ und zur Grabstätte für sich und ihren Gemahl bestimmte; erst nach der Eroberung Granadas entschied man sich für ein Grabmal in dieser Stadt.
San Juan de los Reyes, ein Ort der Ruhe, da fernab von den Touristenmassen vor der großen, gotischen Kathedrale, wo ich es mit einem alten Führer zu tun hatte, der in einem fort redete und mich dauernd am Arm packte.
Zwei Monate später fuhr ich noch einmal nach Toledo, dieses Mal jedoch mit dem Zug, der zu früher Stunde, d.h. um neun Uhr, den Bahnhof Atocha verließ. Zu dieser morgendlichen Stunde schlief Madrid noch. Die einzigen Lebewesen, auf die man traf, waren die Straßenkehrer. Auch Hunde Gassi führende Herrchen waren noch unbekannt, denn die Zeiten der vielen Hundebesitzer lagen noch in weiter Ferne.
Der Zug hatte nur erste und dritte Klasse, weshalb ich mir den Luxus eines Zuschlags erlaubte. In Toledo begannen wieder die Besichtigungen und auch meine Gänge rund um Toledo. Auf einem dieser Spazierwege entdeckte ich ein Schild, das “Aguas Mayores y Menores“ verbot, ein für mich neuer Ausdruck, denn so etwas pflegt man nicht auf der Uni zu lernen. Wäre ein tolles Thema für eine Bachelor Arbeit. Warum sprechen die mit Wasserknappheit kämpfenden Spanier von Wasser, die Deutschen jedoch mal wieder von Geschäften, seien sie nun groß oder klein?
Auf der Rückfahrt verzichtete ich auf den Zuschlag, war doch mein Geld wegen des Kaufs einiger typischer Toledaner Schmuckstücke etwas geschmolzen. Die Bänke waren hart, zwei Scheiben waren kaputt und die Tür schloss nicht richtig. Aber es waren ja nur 2 Stunden!
Sehr oft konnte man mich in Escorial sehen, sowohl im Kloster mit seinen vielen Schätzen und den Grabmälern fast aller spanischen Könige, als auch in den umliegenden Wäldern und Bergen, einschließlich Aufstieg zu einem auf einem Gipfel stehenden Kreuz, mit weitem Rock, denn lange Hosen trug man –sie – noch nicht! Mich begeisterten die großen, mahagonifarbenen Pinienzapfen. Der damals aufgehobene Zapfen steht noch immer auf einem meiner Bücherregale.
Groß war meine Begeisterung für Segovia, das ich zweimal besuchte. Der Zug hielt an kleinen, halb verwahrlosten Bahnhöfen, deren Vorsteher die Abfahrt des Zuges mit dem Bimmeln einer Glocke ankündigten. Nach einem viertelstündigen Gang erreichte ich Segovia, wo mich der Anblick des großen, mitten in der Stadt gelegenen und von Autos durchfahrenen Aquädukts überwältigte. Mich faszinierten die vielen romanischen Kirchen mit ihrem für Segovia so typischen Atrium, der aus Säulen mit geschmückten Kapitellen bestehenden Vorhalle, wie z.B. die mitten in der Innenstadt gelegene Kirche San Martín oder die etwas entfernt liegende Kirche San Millán. Diese zu Beginn des XII. Jahrhunderts erbaute und damals etwas heruntergekommene Kirche sollte mein Segovianer Lieblingsbauwerk werden. Heute gilt San Millán als eines der bedeutendsten Monumente Segovias. Ich besuchte Kathedrale und Alcázar und ging am Fluss Eresma spazieren. Was ich allerdings nicht tat, war der Empfehlung meines “Madrider Vaters“ zu folgen und zwecks Verzehr eines Spanferkels im berühmten Mesón de Cándido einzukehren. Das überstieg bei weitem meine Finanzen, weshalb ich mich mit Gebäck und trockenen Feigen begnügte.
Bisher hatte es immer nur Tagesreisen gegeben, mit Rückkehr zu den abendlichen bzw. nächtlichen “Fleischtöpfen“. Ich wollte aber Salamanca und Ávila kennenlernen, weshalb ich eines Tages einen Teil meiner Siebensachen packte und mich zunächst, in fünfstündiger Fahrt, nach Salamanca begab. Kaum angekommen, eilte ich zur historischen, barocken Plaza Mayor, der, so wird gesagt, schönsten Plaza Mayor ganz Spaniens. Dort saß ich, eine Limonade trinkend, zwei Stunden, bis ich mich zum Touristenbüro aufmachte, um mir eine preiswerte Unterkunft zu besorgen, die ich in der “Pensión Castellana“ fand, sauber und mit fließend Wasser, da spielten die Flecken an den Wänden und die wellige Matratze keine Rolle! Nach einem aus Brot, Käse und Trauben bestehenden Mittagsmahl und einer kleinen Siesta, begann meine fast dreitägige Erkundung Salamancas. Salamanca, die Stadt der vielen Kirchen und Klöster, der alten und der neuen Kathedrale und der ältesten, im Jahr1218 von König Alfons IX gegründeten Universität Spaniens. Irgendwo unterhalb der alten Kathedrale lag Wäsche zum Bleichen auf der holprigen Straße, als plötzlich ein dickes Schwein über die Wäsche spazierte, was aber sofort von kreischenden Frauen und Kindern vertrieben wurde.
Ich überquerte den Fluss Tormes und genoss den traumhaften Blick auf die beiden, sich im Wasser spiegelnden Kathedralen. Am Ufer saßen Angler, und einige Frauen wuschen Wäsche im dreckigen Wasser.
Mich überraschten die vielen neuen Fahrräder, die wahrscheinlich Studenten gehörten und die alle mit einer ständig benutzten Klingel versehen waren, hatte ich bisher doch nur klingellose Fahrräder kennengelernt. Wozu brauchte man eine Klingel, wenn Pfeifen die gleichen Dienste tat!
Und noch etwas fiel mir auf, die im Vergleich zu anderen Städten große Anzahl von Bettlern.
Am frühen Abend füllte sich die Plaza Mayor mit Jugendlichen, und es begann ein seltsames Schauspiel, die “Ronda“, der “Rundgang“; die Jungen, im Gänsemarsch, umrundeten den Platz in einer Richtung, die Mädchen, ebenfalls im Gänsemarsch, in der anderen Richtung. Da es mehrere Runden gab, war die Möglichkeit, jemanden kennenzulernen, recht hoch. Welch einfallsreiches System sich kennenzulernen!
Es war seltsamerweise einzig und allein in Salamanca, daß ich meine Ausgaben notierte, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
Übernachtung 40,00 Peseten
Limonaden 11,50
Postkarten 7,50
Brot 1,40
Trauben 2,00
Bananen 2,40
Gebäck 2,00
Gebäck 0,80
Kloh 0,30
Bettler (Plural) 5,00
Briefmarken 12,00
84,90
Nach fast drei Tagen verließ ich Salamanca und traf gegen Abend in Ávila ein. Dort herrschte Festtagsstimmung, die heilige Therese wurde gefeiert. Hotels und Pensionen waren voll, weshalb meine erste Nachfrage auch erfolglos blieb. Da tauchten plötzlich vier junge Mädchen auf, ich weiß nicht, ob ich sie zuerst oder sie mich zuerst ansprachen, auf jeden Fall waren sie meine Rettung, denn sie brachten mich zum Parador del Rastro, einer einfachen Pension, in der ich ein Zimmer mit Fenster auf einen Lichtschacht fand. Viele Jahre später sollte sich diese am Rastro Tor der Stadtmauer gelegene Pension in eine luxuriöse Bleibe verwandeln.
Ich bummelte durch die erleuchtete und geschmückte Stadt und über den Kirmesplatz mit Karussels, einem kleinen Riesenrad und vielen Buden, aß Brot, Käse und Trauben und verließ frühmorgens, nach wieder Brot, Käse und Trauben, das Zimmer, um Ávila zu erkunden.
Ávila, wieder eine Stadt der Kirchen und Klöster, aber berühmt ist die Stadt wegen ihrer im XI. Jahrhundert von König Alfons VI erbauten, vollständig erhaltenen Stadtmauer. Natürlich führte mich einer meiner ersten Wege zum vor den Toren auf einer kleinen Anhöhe gelegenen “Kreuz der vier Säulen“, von dem aus man den schönsten Blick auf das mauerumgebene Ávila hat.
Außerhalb der Mauern fand ein Tiermarkt statt, Bauern und Schäfer waren in schwarzen Baskenmützen und meist schwarzer Bekleidung erschienen, aber die im unteren Teil herumlaufenden kleinen, schwarzen Stiere ließen mich auf einen Besuch verzichten.
Ich besuchte die teilweise in die Stadtmauer gebaute gotische Kathedrale, die außerhalb der Stadtmauer gelegene romanische Kirche San Vicente und das gotische Kloster Santo Tomás, mit dem Grabmal des frühverstorbenen, einzigen Sohnes der Katholischen Könige.
Auf meinen Streifzügen durch Ávila begegnete ich nicht nur Kirchen und Klöstern, sondern auch vielen Herrenhäusern und Palästen, denn nicht umsonst spricht man vom “Ávila de los Caballeros“, vom Ávila der Ritter. Wem ich auch begegnete, war einem jungen Spanier, der viele Jahre später mein Mann werden sollte.
Und damit beende ich den letzten meiner vier Artikel über meinen Aufenthalt im Spanien des fernen Jahres 1955.