Erinnerungen an die ersten Schuljahre im Deutschland der Jahre 1938-1941
Was ich Ihnen erzählen werde, wird sich so oder so ähnlich auch in den Ländern unserer Nachbarn abgespielt haben.
Meine Erinnerungen an die ersten Schuljahre sind nicht sehr umfangreich; es ist vor allem das erste Schuljahr, an das ich mich erinnere. Wir Erstklässler wurden I Männchen genannt, war doch der Buchstabe i – rauf, runter, rauf, Pünktchen oben drauf – der erste Buchstabe. den wir lernten. Es war der leichteste Buchstabe der Sütterlin Schreibweise, einer im XIX. Jahrhundert sehr beliebten deutschen Schreibweise, die Anfang der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu Gunsten der lateinischen Schreibweise abgeschafft wurde. Wir damaligen Schüler mussten also zuerst die deutsche und dann in der 3. Klasse die lateinische Schreibweise lernen. Heute könnte ich nicht mehr in dieser deutschen Sütterlin Schrift schreiben, aber ich kann sie noch lesen, ein großer Vorteil beim Entziffern der von Vorfahren geschriebenen Briefe und Unterlagen.
Zur Schule gingen wir mit einem ledernen Ranzen, von uns Tornister genannt, an dem ein kleines Schwämmchen hing, das an einer kleinen Schiefertafel befestigt war, die sich im Ranzen befand, zusammen mit dem hölzernen Griffelkasten mit verschiebbarem Deckel und einigen Fibeln, Wir Mädchen trugen verschiedene Schürzchen, vielleicht um die Kleidung zu schonen, und den damals üblichen Bubikopf, den oft eine große Schleife zierte. Auf dem fettigen Bubikopf der vor mir sitzenden Schülerin gab es zwar keine Schleife, dafür aber einige hin- und herlaufende Läuse, putzmunter, trotz der angeblichen Vertreibung mittels Einschmieren der Haare mit Butter. Natürlich bekam dann auch ich die Läuse, deren Beseitigung mit einer langwierigen Prozedur verbunden war, kein Vergleich zu der heutigen Behandlung, denn Läuse gibt es immer mal wieder – so gab es eines Tages in der Kita einer meiner Enkel Läuse Alarm.
Wenn wir des Morgens die Klasse betraten, mussten wir zuerst am Pult des Lehrers vorbei, um unsere Fingernägel zu zeigen. Waren sie schmutzig, gab´s mit dem vor dem Lehrer liegenden kleinen Rohrstock mehrere kleine Schläge auf die Fingerrücken. Unser junger Lehrer war jedoch ein ganz lieber, der, bis auf die zur Fingernagelreinigung anspornenden kleinen Schläge, keine Hiebe verteilte, aber wohl andere Bestrafungen. So sehe ich noch heute einen vor der ganzen Klasse in einer Ecke, mit dem Gesicht zur Wand, stehenden kleinen Jungen, zu dessen Füßen sich ein kleiner Angstbach gebildet hatte. Was er wohl verbrochen haben wird??
Eines Tages ließ uns der Lehrer mitten in der Stunde auf den Schulhof laufen, um einen großen Zeppelin vorbeifliegen zu sehen.
Anstelle einer Zentralheizung gab es einen eisernen Ofen, einen sogn. Kanonenofen, auf dem uns der Lehrer im Herbst Äpfel briet.
In der Pause, nicht nur in der 1., auch in den restlichen 3 Klassen, gab es Spiele, die auch in ähnlicher Form bei unseren Nachbarn gespielt wurden z.B. Kreisspiele, Seilspringen und Hüpfspiele, wobei Kreisspiele besonders beliebt waren. Es bildeten sich ewig drehende Kreise, während u.a. “Dornröschen war ein schönes Kind“ oder “Schornsteinfeger ging spazieren“ gesungen wurde, unter Beteiligung einzelner Hauptdarsteller. Die Texte sind mir inzwischen fast alle entfallen, aber die Melodien sind mir noch geläufig.
Ab der 2. Klasse besuchte ich, wegen des Umzugs in ein anderes Haus, eine andere Schule. Dieses Mal hatte ich eine Lehrerin, auch sie eine ganz liebe, musste sie doch des öfteren ihre schüchterne Schülerin trösten, wenn diese weinend im Klassenzimmer eintraf, weil ihr mal wieder ein Junge den Weg versperrt oder sie an den Zöpfen gezogen hatte, die inzwischen den Bubikopf ersetzten. Während der Rest der Klasse das Lesen übte, was ich bereits gut konnte, durfte ich mir die Bilderbücher ansehen, die mir die Lehrerin zum Trost gegeben hatte.
Dann kam der Tag, an dem wir nicht mehr mit dem Griffel auf die Schiefertafel schrieben und das Geschriebene mit dem feuchten Schwämmchen löschten. Nun hieß es mit Feder und Tinte schreiben! Zwar war es nicht mehr der Gänsekiel der Vorfahren, sondern eine, je nach gewünschter Schrift, größere oder kleinere Stahlfeder, die in eine Art Schlitz gesteckt wurde, der sich an der Spitze eines Stiftes befand. Alle Pulte und Schreibtische waren mit runden Löchern versehen, in die Tintenfässer gesteckt wurden. Das Eintauchen der Feder in die Tinte erlaubte des Schreiben einiger weniger Wörter; dann hieß es wieder die Feder eintauchen, aber, Achtung, nicht zu tief, sonst gab es anstatt des ersten Buchstaben einen dicken Klecks, dicker als die vielen kleinen Kleckse, die ein zu festes Drücken der Feder produzierte. Kurz und gut, eine mehr als komplizierte Angelegenheit! Aber irgendwie schafften wir es dann doch, anständig zu schreiben, vielleicht auch dank des Faches “Schönschreiben.“
Als die Zeiten der ersten Schuljahre bereits vergangen waren, tauchte plötzlich ein neues Schreibutensil auf, der Füllfederhalter, kurz Füller genannt. Es verschwanden die Tintenfässer aus den Schulen und waren nur noch zuhause zu finden, denn von Zeit zu Zeit musste der Füller, mittels eines Pumpsystems, mit Tinte gefüllt werden . Einen Füller der Marke Mont Blanc zu besitzen, galt als etwas ganz Besonderes.
Dann verschwanden auch die Tintenfässer aus den Wohnungen, denn die Tintenpatrone war erfunden worden. Und noch etwas Anderes wurde erfunden: der Kugelschreiber, der Kuli, das inzwischen am meisten verwendete Schreibmittel, sofern man überhaupt noch schreibt!
Aber kehren wir zu meinen ersten Schuljahren zurück!
Manchmal hatten wir in der 3. und 4. Klasse keinen Unterricht sondern wurden auf Feldern und im Wald gesehen. Eine moderne Art des Biologieunterrichts und Förderung des Umweltbewusstseins? Mitnichten! Es handelte sich schlicht und einfach um die Unterstützung des Vaterlandes durch das Sammeln von Heilkräutern und Schädlingen. So konnte man uns im frühen Frühjahr Huflattich und später Brombeerblätter und andere Pflanzen, an die ich mich nicht mehr erinnere, sammeln sehen. Interessanter als das Sammeln von Pflanzen war jedoch das Sammeln von Tieren. Da gab es den gefräßigen Maikäfer, der kein Blatt an den Bäumen ließ. Heute gibt es ihn kaum noch und er ist geschützt. Die Kinder kennen ihn nur noch in Form von Schokolade, als Osterdekoration, zusammen mit ebenfalls aus Schokolade bestehenden Marienkäfern, die es jedoch noch gibt.
Noch gefräßiger als der Maikäfer war der Kartoffelkäfer. Es gab so viele, dass es hieß, die Engländer würden sie aus den Flugzeugen über die Felder werfen.
Ich habe keine Ahnung mehr von den einzelnen Unterrichtsfächern, was ich allerdings nicht vergessen habe ist eine Turnstunde. Ich lag bäuchlings auf einem Hocker und übte die Brustschwimmbewegungen, sozusagen Brustschwimmen im Trockenen. eIne geniale Idee, die mir nach Öffnung der Schwimmbäder nach dem Krieg half, mich nach nur dreitägiger Unterstützung durch einen Rettungsring in Form eines Lastwagenschlauches, schwimmend im Wasser fortzubewegen und bald meinen Fahrtenschwimmer, d.h. ¾ Stunde Schwimmen ohne Pause, zu machen. Gelobt sei der Turnlehrer und seine einfallsreiche Schwimmerziehung!
Und damit endet die Erzählung über meine ersten Schuljahre.
Was ich Ihnen erzählen werde, wird sich so oder so ähnlich auch in den Ländern unserer Nachbarn abgespielt haben.
Meine Erinnerungen an die ersten Schuljahre sind nicht sehr umfangreich; es ist vor allem das erste Schuljahr, an das ich mich erinnere. Wir Erstklässler wurden I Männchen genannt, war doch der Buchstabe i – rauf, runter, rauf, Pünktchen oben drauf – der erste Buchstabe. den wir lernten. Es war der leichteste Buchstabe der Sütterlin Schreibweise, einer im XIX. Jahrhundert sehr beliebten deutschen Schreibweise, die Anfang der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu Gunsten der lateinischen Schreibweise abgeschafft wurde. Wir damaligen Schüler mussten also zuerst die deutsche und dann in der 3. Klasse die lateinische Schreibweise lernen. Heute könnte ich nicht mehr in dieser deutschen Sütterlin Schrift schreiben, aber ich kann sie noch lesen, ein großer Vorteil beim Entziffern der von Vorfahren geschriebenen Briefe und Unterlagen.
Zur Schule gingen wir mit einem ledernen Ranzen, von uns Tornister genannt, an dem ein kleines Schwämmchen hing, das an einer kleinen Schiefertafel befestigt war, die sich im Ranzen befand, zusammen mit dem hölzernen Griffelkasten mit verschiebbarem Deckel und einigen Fibeln, Wir Mädchen trugen verschiedene Schürzchen, vielleicht um die Kleidung zu schonen, und den damals üblichen Bubikopf, den oft eine große Schleife zierte. Auf dem fettigen Bubikopf der vor mir sitzenden Schülerin gab es zwar keine Schleife, dafür aber einige hin- und herlaufende Läuse, putzmunter, trotz der angeblichen Vertreibung mittels Einschmieren der Haare mit Butter. Natürlich bekam dann auch ich die Läuse, deren Beseitigung mit einer langwierigen Prozedur verbunden war, kein Vergleich zu der heutigen Behandlung, denn Läuse gibt es immer mal wieder – so gab es eines Tages in der Kita einer meiner Enkel Läuse Alarm.
Wenn wir des Morgens die Klasse betraten, mussten wir zuerst am Pult des Lehrers vorbei, um unsere Fingernägel zu zeigen. Waren sie schmutzig, gab´s mit dem vor dem Lehrer liegenden kleinen Rohrstock mehrere kleine Schläge auf die Fingerrücken. Unser junger Lehrer war jedoch ein ganz lieber, der, bis auf die zur Fingernagelreinigung anspornenden kleinen Schläge, keine Hiebe verteilte, aber wohl andere Bestrafungen. So sehe ich noch heute einen vor der ganzen Klasse in einer Ecke, mit dem Gesicht zur Wand, stehenden kleinen Jungen, zu dessen Füßen sich ein kleiner Angstbach gebildet hatte. Was er wohl verbrochen haben wird??
Eines Tages ließ uns der Lehrer mitten in der Stunde auf den Schulhof laufen, um einen großen Zeppelin vorbeifliegen zu sehen.
Anstelle einer Zentralheizung gab es einen eisernen Ofen, einen sogn. Kanonenofen, auf dem uns der Lehrer im Herbst Äpfel briet.
In der Pause, nicht nur in der 1., auch in den restlichen 3 Klassen, gab es Spiele, die auch in ähnlicher Form bei unseren Nachbarn gespielt wurden z.B. Kreisspiele, Seilspringen und Hüpfspiele, wobei Kreisspiele besonders beliebt waren. Es bildeten sich ewig drehende Kreise, während u.a. “Dornröschen war ein schönes Kind“ oder “Schornsteinfeger ging spazieren“ gesungen wurde, unter Beteiligung einzelner Hauptdarsteller. Die Texte sind mir inzwischen fast alle entfallen, aber die Melodien sind mir noch geläufig.
Ab der 2. Klasse besuchte ich, wegen des Umzugs in ein anderes Haus, eine andere Schule. Dieses Mal hatte ich eine Lehrerin, auch sie eine ganz liebe, musste sie doch des öfteren ihre schüchterne Schülerin trösten, wenn diese weinend im Klassenzimmer eintraf, weil ihr mal wieder ein Junge den Weg versperrt oder sie an den Zöpfen gezogen hatte, die inzwischen den Bubikopf ersetzten. Während der Rest der Klasse das Lesen übte, was ich bereits gut konnte, durfte ich mir die Bilderbücher ansehen, die mir die Lehrerin zum Trost gegeben hatte.
Dann kam der Tag, an dem wir nicht mehr mit dem Griffel auf die Schiefertafel schrieben und das Geschriebene mit dem feuchten Schwämmchen löschten. Nun hieß es mit Feder und Tinte schreiben! Zwar war es nicht mehr der Gänsekiel der Vorfahren, sondern eine, je nach gewünschter Schrift, größere oder kleinere Stahlfeder, die in eine Art Schlitz gesteckt wurde, der sich an der Spitze eines Stiftes befand. Alle Pulte und Schreibtische waren mit runden Löchern versehen, in die Tintenfässer gesteckt wurden. Das Eintauchen der Feder in die Tinte erlaubte des Schreiben einiger weniger Wörter; dann hieß es wieder die Feder eintauchen, aber, Achtung, nicht zu tief, sonst gab es anstatt des ersten Buchstaben einen dicken Klecks, dicker als die vielen kleinen Kleckse, die ein zu festes Drücken der Feder produzierte. Kurz und gut, eine mehr als komplizierte Angelegenheit! Aber irgendwie schafften wir es dann doch, anständig zu schreiben, vielleicht auch dank des Faches “Schönschreiben.“
Als die Zeiten der ersten Schuljahre bereits vergangen waren, tauchte plötzlich ein neues Schreibutensil auf, der Füllfederhalter, kurz Füller genannt. Es verschwanden die Tintenfässer aus den Schulen und waren nur noch zuhause zu finden, denn von Zeit zu Zeit musste der Füller, mittels eines Pumpsystems, mit Tinte gefüllt werden . Einen Füller der Marke Mont Blanc zu besitzen, galt als etwas ganz Besonderes.
Dann verschwanden auch die Tintenfässer aus den Wohnungen, denn die Tintenpatrone war erfunden worden. Und noch etwas Anderes wurde erfunden: der Kugelschreiber, der Kuli, das inzwischen am meisten verwendete Schreibmittel, sofern man überhaupt noch schreibt!
Aber kehren wir zu meinen ersten Schuljahren zurück!
Manchmal hatten wir in der 3. und 4. Klasse keinen Unterricht sondern wurden auf Feldern und im Wald gesehen. Eine moderne Art des Biologieunterrichts und Förderung des Umweltbewusstseins? Mitnichten! Es handelte sich schlicht und einfach um die Unterstützung des Vaterlandes durch das Sammeln von Heilkräutern und Schädlingen. So konnte man uns im frühen Frühjahr Huflattich und später Brombeerblätter und andere Pflanzen, an die ich mich nicht mehr erinnere, sammeln sehen. Interessanter als das Sammeln von Pflanzen war jedoch das Sammeln von Tieren. Da gab es den gefräßigen Maikäfer, der kein Blatt an den Bäumen ließ. Heute gibt es ihn kaum noch und er ist geschützt. Die Kinder kennen ihn nur noch in Form von Schokolade, als Osterdekoration, zusammen mit ebenfalls aus Schokolade bestehenden Marienkäfern, die es jedoch noch gibt.
Noch gefräßiger als der Maikäfer war der Kartoffelkäfer. Es gab so viele, dass es hieß, die Engländer würden sie aus den Flugzeugen über die Felder werfen.
Ich habe keine Ahnung mehr von den einzelnen Unterrichtsfächern, was ich allerdings nicht vergessen habe ist eine Turnstunde. Ich lag bäuchlings auf einem Hocker und übte die Brustschwimmbewegungen, sozusagen Brustschwimmen im Trockenen. eIne geniale Idee, die mir nach Öffnung der Schwimmbäder nach dem Krieg half, mich nach nur dreitägiger Unterstützung durch einen Rettungsring in Form eines Lastwagenschlauches, schwimmend im Wasser fortzubewegen und bald meinen Fahrtenschwimmer, d.h. ¾ Stunde Schwimmen ohne Pause, zu machen. Gelobt sei der Turnlehrer und seine einfallsreiche Schwimmerziehung!
Und damit endet die Erzählung über meine ersten Schuljahre.